In turbulenten Zeiten – effektive Auszeiten durch Entspannungsverfahren

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Bild: R. Grandpair

Uns allen ist bewusst, wie wichtig es ist, sich für sich selbst Zeit zu nehmen und zur Ruhe zu kommen. Kommen wir nicht aus der Stressmühle heraus, riskieren wir zuerst unser Wohlbefinden und später unsere Leistungsfähigkeit. Meist leidet zuerst der Körper, dann die Psyche. Viele körperliche Beschwerden sind psychosomatischen Ursprunges.

Viele der dieser psychosomatischen Beschwerden, kann man z. B. schon in alten Redewendungen wiederfinden:

  • Ich kann es nicht mehr (er-)tragen (bei Rückenschmerzen)
  • Ich gehe in die Knie (bei Knieproblemen)
  • Ich kann es nicht mehr hören (bei Tinnitus)
  • Das nimmt mir die Luft zum Atmen (bei Asthma, Bronchitis, etc.)
  • Ich habe die Nase voll davon (bei Erkältungskrankheiten)
  • Das ist mein Reizthema/ Es reizt mich (Haut)
  • Das schlägt mir auf den Magen…
  • Das geht mir an die Nieren
  • Mir läuft eine Laus über die Leber
  • Das geht mir auf die Nerven…

Die Liste dieser Sprüche ist unendlich erweiterbar. Sicherlich sind auch Ihnen gerade noch einige Redewendungen eingefallen.
Die gute Nachricht ist, wir können selbst ganz viel für unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit tun. Um Stress abzubauen und in die Entspannung zu kommen, können wir uns Hilfe aus Büchern, Zeitschriften oder dem Internet holen. Es stehen uns online Entspannungs- und Meditationsmusik sowie unzählige Fantasiereisen zur Verfügung. Und auf dem Handy können wir uns Apps installieren, die uns ebenfalls unterstützen können.

Fantasiereisen und Entspannungsmusik können sicherlich Menschen in einen Zustand der Entspannung führen, wenn diese schon viel Entspannungserfahrung haben und sich ganz darauf einlassen können. Denkt man jedoch während der Fantasiereise an den morgigen Arbeitstag, an die Termine mit den Kindern oder ähnliches oder schläft vielleicht sogar gleich ein, findet man in dieser Zeit trotzdem keinen Zugang zu sich selbst, der gerade in turbulenten Zeiten so wichtig wäre. Denn nur so gelangen wir in eine tiefe Entspannung und können unsere Selbstheilungskräfte wirksam unterstützen.

Wenn man seine Ruhe in sich nicht findet, ist es zwecklos, sie andernorts zu suchen

(François de La Rochefoucauld)

Es gibt zahlreiche effektive Entspannungsverfahren, die genau dies bewirken – (wieder) zu sich selbst zu finden – den Körper (wieder) zu spüren. Dazu gehören z. B. auch Hatha-Yoga und Qi Gong, welche wir bereits in unseren Gesundheitskursen anbieten. Das schöne ist – diese Entspannungsverfahren sind so unterschiedlich, dass für jeden etwas dabei sein sollte. Und in diesem Artikel zwei weitere Entspannungsverfahren vorstellen, die Sie vielleicht ansprechen könnten. Bei beiden ist die Liste der Anwendungsgebiete lang, die Wirkung wissenschaftlich erwiesen.

Die Progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobson

(PMR = Progressive Muskelrelaxation)

Edmund Jacobson, ein schwedischer Arzt und Internist, der seine Ergebnisse an der Forschung zur PMR 1908 an der Harvard Universität aufgenommen hatte, konnte diese bereits 1929 erfolgreich veröffentlichen. Er betrachtete die PMR als ganzheitliche Entspannungsmethode und berücksichtigte dabei Körper, Geist und Seele als eine Einheit. Ihm war es ein großes Anliegen, dass die PMR z. B. auch mit anderen Methoden in der Psychotherapie kombiniert werden kann. So eignet sich die PMR beispielsweise besonders gut zur Angstbewältigung, da Angst und Entspannung naturgemäß nicht gleichzeitig auftreten können. Aber auch in vielen anderen Anwendungsbereichen wird die PMR angewendet, vor allem bei psychosomatischen Beschwerden.
Bei der progressiven Muskelentspannung handelt es sich um ein aktives Entspannungsverfahren, bei dem durch die willentliche und bewusste An- und Entspannung bestimmter Muskelgruppen ein Zustand tiefer Entspannung des ganzen Körpers erreicht wird. Es werden nacheinander sämtliche Muskelgruppen für wenige Sekunden angespannt und die Anspannung wieder bewusst gelöst. Hierbei wird besonders trainiert, sich komplett auf die eintretende Entspannung der Muskulatur zu konzentrieren und so eine bessere Körperwahrnehmung zu erhalten. Zu Beginn trainiert man in der Regel mit allen 16 Muskelparteien der 4 Muskelgruppen. Später, wenn man geübt ist, kann man mehrere Muskelgruppen gleichzeitig an- und entspannen und diese Kurzentspannung auch im (Arbeits-) Alltag effektiv einsetzen. Hier ist es von Vorteil, dass die PMR sowohl im Liegen, als auch im Sitzen, aber auch im Stehen durchgeführt werden kann. Besonders beliebt ist die PMR bei Menschen, die sich gerne aktiv bewegen und/oder Schwierigkeiten in der bildlichen Vorstellung haben, wie es z. B. bei Fantasiereisen nötig ist.

Das Autogene Training nach Schultz

Der Nervenarzt Prof. Dr. H.J. Schultz entwickelte das Autogene Training in den 1920ern.
Ursprünglich kommt es aus der Hypnose und tatsächlich können sich sehr Geübte durch das Autogene Training in den Theta-Zustand, einem tiefen Trancezustand, welcher einem Traumschlaf ähnelt, bringen. Das Autogene Training soll vor allem die Selbstheilungskräfte von innen heraus aktivieren.

Autogenes Training kommt von
AUTO = selbst
GENOS = entstehen
und meint, aus eigenen Kräften von innen heraus entstehen
TRAINING = trainieren, trainieren, trainieren

Im Gegensatz zur Progressiven Muskelentspannung ist das Autogene Training eine passive Entspannungstechnik, die mental im Kopf beginnt und sich durch die Anwendung der Autosuggestionen in den Körper überträgt. Die verschiedenen Formeln sind der Grundstein des Autogenen Trainings. Es geht darum, die Selbstwahrnehmung zu trainieren und vor allem körperliche Funktionen gezielt durch die Vorstellungskraft zu beeinflussen.
Die Wirkung des autogenen Trainings ist erwiesen. Wir alle wissen, was wir durch die Kraft der Gedanken (Einbildung) erreichen können oder wie wir uns selbst manchmal durch falsche Gedanken blockieren können. Während man sich in der Grundstufe auf die Grundformeln/-übungen beschränkt, wird das Autogene Training in der Mittelstufe um persönliche Formeln zur Zielfindung (persönliche Lebensziele, persönliche Fragestellungen) erweitert und kann hier als Mentaltraining eingesetzt werden. Die Oberstufe des Autogenen Trainings ist das, was man als Selbsthypnose bezeichnen kann.

Die Kraft der Gedanken ist unsichtbar wie der Same, aus dem ein riesiger Baum wächst, sie ist aber Ursprung wie die sichtbaren Veränderungen im Leben des Menschen.

Leo Tolstoi

Wie bei der PMR können Geübte das Autogene Training als Kurzentspannung in den (Arbeits-) Alltag einbauen. Es kann zu jeder Zeit an jedem Ort durchgeführt werden.

Genauso wie die PMR erfordert das Autogene Training allerdings regelmäßiges Trainieren/Üben. Wenn Sie bisher noch keine Erfahrungen mit Entspannungstechniken haben, kann es durchaus mehrere Wochen, manchmal auch Monate dauern, bis Sie in den gewünschten Entspannungszustand kommen.

Aber es lohnt sich und wird Ihnen ganz neue Wege zu Ihrer Gesundheit und Ihrem Wohlbefinden aufzeigen.

Autorin: Linda Grandpair, FAUgesund